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Brief des Vorstands

Liebe Aktionärinnen, liebe Aktionäre,
liebe Freunde des Unternehmens,

es gibt Geschäftsjahre, in denen Optimismus und Pessimismus nah beieinander liegen. Zunächst gewannen wir den Eindruck, die Covid-19 Pandemie sei überstanden, da folgte der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine. Dieser Krieg in Europa verschärfte Probleme in den durch die Covid-19 Pandemie bereits angespannten Lieferketten und war der Auslöser für die bestehende Energiekrise. Aurubis stellte sich diesen Herausforderungen und nahm im letzten Geschäftsjahr wesentliche strategische Weichenstellungen für die kommenden Jahre vor. In diesem ausgesprochen schwierigen Umfeld können wir durchaus stolz sein auf die operative Performance unserer Hüttenwerke, auf deutliche Verbesserungen in der Arbeitssicherheit sowie auf ein außerordentlich gutes finanzielles Ergebnis.

Mit der überarbeiteten Strategie hat Aurubis vor einem Jahr einen längerfristigen Wachstumspfad festgelegt. Im Fokus stehen: das Kerngeschäft sichern und stärken, Wachstumsoptionen im Bereich Recycling verfolgen sowie unsere Industrieführerschaft in der Nachhaltigkeit ausbauen.

Konsequenterweise haben wir 2021 und 2022 erheblich in unser Kerngeschäft investiert. Über 120 Mio. € flossen allein in die Modernisierung unserer beiden Primärhüttenstandorte in Hamburg und Pirdop. Sie sichern auch künftig eine hohe Produktivität und Anlagenverfügbarkeit. Allein in Hamburg wurden mehr als 480 Instandhaltungs-, Umweltschutz- und Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt. Investitionen, die sich unmittelbar auszahlen: Unsere Hüttenstandorte wiesen 2021/22 eine sehr gute operative Performance auf – zum Beispiel arbeitete Pirdop 365 Tage ohne jedwede Produktionsunterbrechungen.

Die Investitionen in die Primärhütten trugen dazu bei, Kupferkonzentrate mit unterschiedlichen Komplexitäten zu verarbeiten. Die starke Nachfrage nach Industriemetallen wie z. B. Kupfer, Nickel oder Zinn, die Aurubis produziert, wird sich nicht durch das Recycling decken lassen. Unsere Gesellschaft wird langfristig auf den steigenden Zufluss von Konzentraten aus verantwortungsvoller Minenproduktion angewiesen sein. Wir brauchen daher in Europa mehr Engagement für die Erschließung vorhandener lokaler Vorkommen und einen offenen, ideologiefreien Diskurs über den globalen Bezug von Kupferkonzentraten.

Foto: Aurubis: Spatenstich in Richmond
V. l. n. r.: Rainer Verhoeven Chief Financial Officer, Roland Harings Chief Executive Officer, Dr. Heiko Arnold Chief Operations Officer

Der größte Wachstumstreiber für Aurubis heißt: Multimetall-Recycling. Wir nehmen hier bereits eine Vorreiterrolle in Europa ein, die wir global weiter ausbauen wollen. Damit leisten wir einen direkten Beitrag zum europäischen Green Deal, halten strategisch wichtige Mineralien in lokalen Kreisläufen, schützen wertvolle Bodenschätze und stillen den Bedarf der Gesellschaft nach Industriemetallen. Wir stehen für offene Märkte, erwarten jedoch von der Politik, dass gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer geschaffen werden, damit Recyclingmaterialien nicht in Regionen abfließen, in denen es unzureichende Umwelt-, Sozial- oder Entsorgungsbestimmungen gibt.

Ein wichtiger Meilenstein im abgelaufenen Geschäftsjahr war der Spatenstich für unsere neue Multimetall-Recyclinghütte im US-Bundesstaat Georgia. Wir werden als erstes Unternehmen umfangreiche Verarbeitungskapazitäten für komplexe Recyclingmaterialien im US-amerikanischen Markt aufbauen und sichere Arbeitsplätze in der Region schaffen. Aufgrund unserer Recyclingtechnologie und -expertise werden wir oberhalb der höchsten in den USA geltenden Umweltstandards produzieren und so auf nachhaltige Weise strategisch notwendige Metalle für die Kreislaufwirtschaft zurückgewinnen.

„Mit der Umsetzung unserer Strategie werden wir einen wachsenden Beitrag zum verantwortungsvollen und nachhaltigen Einsatz kritischer Metalle der Energie- und Mobilitätswende leisten .“

— Roland Harings, CEO

Wir haben zudem unsere Pläne vorangetrieben, in das attraktive Geschäftsfeld Batterierecycling einzusteigen. 2021/22 wurde hierfür am Standort Hamburg eine Pilotanlage in Betrieb ge-nommen. Dort wird sogenannte Schwarze Masse aus Lithium-Ionen-Batterien mittels eines innovativen hydrometallurgischen Prozesses verarbeitet. Die Ergebnisse sind positiv: Wir konnten bei einer hohen Rückgewinnungsrate erfolgreich Metalle wie Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan aber auch Grafit extrahieren. Das Batterierecycling gewinnt durch den Ausbau der Elektromobilität und den rasant steigenden Bedarf an Lithium-Ionen-Batterien und den dafür benötigten Rohstoffen stark an Bedeutung. Als effizientestes und nachhaltigstes Hüttennetzwerk der Welt besitzen wir die erforderliche metallurgische Expertise. Wir haben beste Voraussetzungen, um mit unseren Prozesslösungen ein wesentlicher Wegbereiter für die Mobilitätswende zu werden.

Den Fokus auf Nickel und Kupfer legen wir mit dem strategischen Projekt BOB, der Elektrolytaufbereitung an unserem belgischen Standort in Olen. Mit einem innovativen hydrometallurgischen Verfahren gewinnen wir Nickel noch schneller und effizienter aus unseren Elektrolysen zurück. Die Anlage in Olen wird im Geschäftsjahr 2025/26 vollständig betriebsbereit sein.

Unsere Nachhaltigkeitsagenda ist wesentlicher Teil der Aurubis-Strategie. Wir werden die Emissionen in unserem Unternehmen weiter reduzieren und die Prozesse zunehmend dekarbonisieren. Wichtige Meilensteine im abgelaufenen Geschäftsjahr waren die Inbetriebnahme einer der weltweit größten Anlagen zur Reduzierung von sogenannten diffusen Emissionen an unserem Standort in Hamburg, sowie die Inbetriebnahme der größten Photovoltaikanlage für den Eigenverbrauch in Bulgarien am Standort Pirdop. Darüber hinaus schlossen wir einen großen Stromliefervertrag aus einem Offshore-Windpark für die Versorgung unseres Standorts in Olen ab. Ferner tragen wir mit unserem Industriewärmeprojekt ab der Heizperiode 2024/25 zur Vermeidung von jährlich 100.000 t CO2 Emissionen bei und beliefern weitere 20.000 Haushalte mit CO2-freier Industriewärme.

„Wir werden die Emissionen in unserem Unternehmen weiter reduzieren und die Prozesse zunehmend dekarbonisieren.“

— Dr. Heiko Arnold, COO

Im Jahr 2021 konnten wir eindrucksvoll demonstrieren, dass der Wasserstoffeinsatz anstelle von Erdgas in der Kupferproduktion am Anodenofen großtechnisch möglich ist. Im Oktober 2022 sind wir den nächsten Schritt gegangen mit dem Start einer Testreihe für kohlenstoffarmes Ammoniak. Wir planen, rund 20 % des Erdgases in der Kupferdrahtproduktion durch blauen Ammoniak zu ersetzen. Dies entspricht einer Einsparung von bis zu 4.000 t CO2 pro Jahr pro Anlage. Wir starten heute mit der umfangreichen Erprobung von Ammoniak, dem zuerst verfügbaren Wasserstoffderivat, für die industrielle Anwendung, damit wir – bei Verfügbarkeit von blauem oder später grünem Ammoniak – einsatzbereit sind. Das beweist einmal mehr: Aurubis forciert die Transformation zu einer CO2-armen Industrieproduktion.

Bei der Umsetzung unserer Nachhaltigkeitsagenda ist Transparenz für uns von zentraler Bedeutung. Wir haben jüngst den CO2-Fußabdruck unserer Produkte aktualisiert. Das Ergebnis: Wir haben bei Kupferkathoden den Fußabdruck in den letzten acht Jahren um mehr als 35 % verringert auf heute 1.460 kg CO2 pro Tonne Kupferkathode. Wir liegen damit 50 % unter dem weltweiten Durchschnitt – bei Kupferkathoden, Silber und Gold. Ergebnisse, die unseren eingeschlagenen Weg bestätigen. Insgesamt publizieren wir die Umweltauswirkungen von sechs Produktgruppen durch entsprechende Ökobilanzen. Wir sehen dies als wichtigen Beitrag für eine transparente Wertschöpfungskette.

Nach der Zertifizierung unseres bulgarischen Standorts durch die Copper Mark wurden 2022 die Hüttenwerke in Hamburg und Lünen erfolgreich auditiert. Die Copper Mark ist das Qualitätssiegel der weltweiten Kupferindustrie. Für 2023 planen wir, auch unseren Standort im belgischen Olen zu zertifizieren.

„Wir haben die Fähigkeit, unsere Strategie konsequent umzusetzen und selbst in Zeiten der Krise sogar noch zu beschleunigen.“

— Rainer Verhoeven, CFO

Das Geschäftsjahr war, insbesondere in der zweiten Hälfte, von einem Thema geprägt: der Energiekrise. Eine Reihe energieintensiver Unternehmen musste die Produktion reduzieren, teilweise gänzlich einstellen. Drei Gründe, warum wir zuversichtlich sind, stabil durch den Winter 2022/23 zu kommen:

Erstens: Wir sind vorbereitetet. Ein Großteil unserer Produktionsprozesse ist bereits elektrifiziert und wir sind somit im Vergleich zu anderen energieintensiven Unternehmen unabhängiger von Erdgas. Darüber hinaus haben wir im Frühjahr 2022 umgehend eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um diese Unabhängigkeit weiter auszubauen und gleichzeitig den Energiebezug zu flexibilisieren. Wenn diese Maßnahmen Anfang 2023 ihre Wirkung voll entfalten, werden wir noch einmal bis zu 40 % unseres Erdgasbedarfs in Deutschland durch andere Energieträger ersetzen. Auf der Suche nach weiterem Energieeinsparpotenzial haben wir 2022 verstärkt die Fähigkeiten unserer „Digital Factory“ genutzt. Unsere Experten, deren Kernaufgabe die weitere Digitalisierung und Automation unserer Produktion ist, haben mittels höherer Datentransparenz erfolgreich Maßnahmen zur weiteren Energiereduktion identifiziert. Am Standort Hamburg sind wir ferner durch unser Industriewärmeprojekt eng mit der Wärmeversorgung der Stadt verbunden, indem wir rund 8.000 Wohnungen CO2-frei beheizen. Damit sind wir systemrelevanter Baustein in der Energieversorgung der Hansestadt. Zweitens: Wir haben ein starkes Geschäftsjahr abgeschlossen und verfügen über eine grundsolide Bilanz, mit einer Eigenkapitalquote von über 50 %. Das gibt Handlungsspielraum. Wir haben die Fähigkeit, unsere Strategie konsequent umzusetzen und selbst in Zeiten der Krise sogar noch zu beschleunigen. Und drittens: Mit unseren fünf Elektrolysen und vier Drahtanlagen über mehrere europäischen Länder verteilt sind wir breit diversifiziert. So werden wir größere Marktunsicherheiten kompensieren können.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben das Geschäftsjahr 2021/22 außerordentlich erfolgreich abgeschlossen und erzielten 532 Mio. € operatives EBT. Das Ergebnis lag damit noch einmal 40 % über dem bereits sehr guten Vorjahr. Wir profitieren vom deutlich höheren Metallergebnis bei gestiegenen Metallpreisen, insbesondere bei Industriemetallen wie Kupfer, Zinn und Nickel. Darüber hinaus lagen die Absatzpreise für Schwefelsäure über weite Teile des Geschäftsjahres signifikant höher als im Vorjahr, was zu deutlich höheren Schwefelsäureerlösen führte, und auch die Nachfrage nach Kupferprodukten ist erheblich gestiegen. Zusätzlich sorgten höhere Raffinierlöhne für sonstige Recyclingmaterialien für ein starkes Gesamtergebnis. Der verlängerte Wartungsstillstand in Hamburg, deutlich niedrigere Raffinierlöhne für Altkupfer und wesentlich höhere Energiekosten wirkten gegenläufig, konnten jedoch durch die positiven Ergebnistreiber überkompensiert werden. Aufgrund des sehr guten operativen Konzernergebnisses schlagen Vorstand und Aufsichtsrat eine Dividende von 1,80 € je Aktie vor (Vj. 1,60 €). Dies ist der höchste Dividendendenvorschlag der Unternehmensgeschichte.

Ein Highlight im letzten Geschäftsjahr, welches wir als Vorstand, an dieser Stelle erneut hervorheben möchten, ist die signifikante Verbesserung der Arbeitssicherheit im Konzern. Die hierfür relevante Kennzahl LTIFR lag 2021/22 um 37 % besser als im Vorjahr. Ein großartiger Erfolg auf unserem Weg, unsere Vision von null Unfällen zu erreichen. Für den hohen persönlichen Einsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr danken wir allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Aurubis AG.

Wir blicken heute deutlich optimistischer auf das laufende Geschäftsjahr 2022/23 als noch vor ein paar Monaten. Vor dem Hintergrund einer Konjunkturabschwächung, steigender Zinsen und der Belastung durch hohe Energiepreise mag das überraschen. Doch es scheint, als könnten die schlimmsten Szenarien abgewendet werden. Unsere Metalle sind weiter gefragt und knapp, wir erwarten insbesondere eine steigende Nachfrage nach Metallen für die Energiewende. Daher rechnen wir aktuell für 2022/23 mit einem soliden operativen EBT zwischen 400 und 500 Mio. €.

Optimistisch stimmt uns auch, wie wir die Cyber Attacke auf unsere IT-Systeme Ende Oktober gemeistert haben. Dank unserer exzellent aufgestellten IT, sicherer Datenspeicherung und des kompetenten Einsatzes unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entstand kein relevanter Schaden. Die Produktion lief an allen großen Standorten unvermindert weiter. Gleichzeitig wurden die administrativen Prozesse zeitweise ohne IT-Systemunterstützung fortgeführt. Parallel arbeitete die IT daran, die Systeme und Daten zügig wieder zur Verfügung zu stellen. Innerhalb kürzester Zeit konnten wir so die Funktionsfähigkeit sämtlicher Systeme im Konzern wiederherstellen. Ein weiteres Beispiel für die Krisenresilienz von Aurubis.

Liebe Aktionärinnen und Aktionäre, das Geschäftsmodell von Aurubis, mit seinen verschiedenen Ergebnistreibern, wird sich auch im laufenden Geschäftsjahr als robust erweisen. Unser strategischer Fahrplan ist klar: Wir stärken das Kerngeschäft, wachsen im Multimetall-Recycling und verbessern unsere Fähigkeiten, auf nachhaltige Weise Zukunftsmetalle zu produzieren. Wir sind systemrelevant. Heute werden mehr denn je Aurubis-Produkte benötigt – als Basis für die Zukunft von morgen. Für die beschleunigte Transformation zu grünen, bezahlbaren Energien und Technologien sowie zu einer dekarbonisierten Gesellschaft.

Wir freuen uns, wenn Sie uns auf diesem Weg weiter begleiten!

 

Roland Harings        Dr. Heiko Arnold        Rainer Verhoeven